Der vegane Reiseblog

Tag 4 Quarantäne in Nanjing – „It’s almost over“

Tag 4 und ich fühle mich als hätte ich es schon fast überstanden. Sind ja nur noch 10 Tage. Aber Moment, Tag 4 ist noch gar nicht vorbei. Ich habe heute in der WeChat Gruppe entdeckt, dass wir genau 14 Tage nach „Check In“ im Hotel dieses wieder verlassen dürfen. Da ich Montagnachmittag eingecheckt habe, bedeutet das, dass Tag 4 also erst Freitagnachmittag vorbei ist. In Ordnung, also ist dieser Eintrag eigentlich für Tag 3,5?

Frühstück? Klar, aber der Reisbrei überzeugt mich nicht mehr wirklich. Da ich glücklicherweise eine Auswahl an Vorräten aus Deutschland mitgebracht habe, ist das kein Problem.

Die besagte WeChat Gruppe offenbart übrigens so einiges. Sie zeigt eher unfreundliche Seiten einiger Mit-Quarantänianer, die ihren Frust darüber, 14 Tage in einem kleinen Zimmer eingesperrt zu sein, am Hotelpersonal auslassen und sich darüber beschweren, dass sie zu wenig oder zu viel oder zu kalten oder zu wenig klebrigen Reis bekommen, dass das Essen generell doch bitte besser sein soll, dass der Teppich Allergien auslöse, dass sie allergisch auf kaltes Essen reagieren (hab ich auch noch nie gehört), dass Coca Cola zu Grundnahrungsmitteln gehört und sie somit fordern, diese aufs Zimmer geliefert zu bekommen.

Wie ich das alles mitbekomme? WeChat hat eine integrierte Übersetzungsfunktion. Mit Klick auf die chinesische Nachricht wird diese mehr oder weniger gut übersetzt. Es genügt zumindest, um das generelle Thema zu verstehen. Auf Grundlage der Annahme, dass andere Menschen diese Übersetzungsfunktion ebenfalls nutzen können und sie in ihrem WeChat haben, schreibe ich also, wenn ich etwas zu schreiben habe, fleißig Nachrichten auf Englisch in diese Gruppe, in der Hoffnung, dass hierauf reagiert wird. Anfangs wurde sich dagegen gesträubt, mittlerweile wird drauf reagiert. Bei Themen, die für mein Empfinden eher persönlich sind (benötigte Reisepass-Scans, die Bitte, dass bestellte Ware aufs Zimmer gebracht wird, finanzielle Themen wie Bezahlung des Zimmers und einzelner Bestellungen), schreibe ich jedoch meist private Nachrichten. Hier fällt mir die Offenheit vieler Mit-Quarantänianer auf, die offenbar jedes noch so diskrete Thema hämmungslos in die Gruppe der 30 sich völlig fremden Mit-Quarantänianern posten. Interessante kulturelle Unterschiede, wo doch das Thema Geld in Deutschland so tabu ist.

 

Neben den drei großen Attraktionen des Tages (das Klopfen an der Tür, welches die Essenslieferung ankündigt), bringt das Klopfen zur Mittagszeit eine weitere Überraschung mit sich. Meine Freundin war so lieb, mir ein HDMI Kabel sowie ein Zweithandy und etwas Tee zu schicken. Ersteres, um mein iPad mit dem großen Smart-TV verbinden zu können, um entspannter Netflix schauen zu können… Die Überraschung findet sich aber in den anderen Inhalten des Pakets – das übrigens erst nach einiger Überzeugungsarbeit an mich ausgeliefert wurde. Zahlreiche leckere Snacks, Müsli uuuund: ein Yoga-Shirt. Damit geht das Highlight dieses Tages eindeutig nicht mehr an die Essenslieferungen. Den restlichen Nachmittag verbringe ich abwechselnd mit YouTube, Netflix und Flugbuchungen für den anstehenden „Weihnachts-“ Urlaub – erfolgreich.

Am Abend kann ich mich endlich aufraffen eine Sport- und eine Yogaeinheit unterzubringen, die dringend notwendig war und sehr guttut. Im Verlauf des Tages hatte ich es lediglich geschafft ca. 200x auf und ab im Zimmer zu gehen, und damit ca. 2000 Schritte umzusetzen, damit der Körper auf den 14m2 zumindest ein bisschen Bewegung abbekommt.

 

Abgesehen von der beiläufigen WeChat-Analyse und der Beobachtung der Menschen, die vor dem Fenster vorbeilaufen, haben mich heute erste Anzeichen eines schlechten Gewissens geplagt. Ich hatte mir doch fest vorgenommen, die Zeit hier in Quarantäne produktiv zu nutzen und anhand eines minutiös geplanten Tagesablaufs unter anderem einen Projektmanagement-Kurs zu absolvieren. Stattdessen hat mich gerade (mittlerweile nach 3 Tagen bereits 2. Staffel der Serie) The Americans in ihren Bann gezogen, die relativ problemlos – mit einem vernünftigen VPN Server mit ASTRILL VPN – auf Netflix läuft. Da das schlechte Gewissen wohl erste Anzeichen für eine anstehende Veränderung des Tagesablaufs sei könnte, hoffe ich, dass ich es nicht bis zur 6. Staffel der Serie schaffe, sondern tatsächlich einige der geplanten Themen zur Umsetzung bringen kann. Der erste Schritt hierfür ist auch tatsächlich schon geschafft. Ich sitze hier kurz vor Ende des 5. Tages am Schreibtisch mit Blick aus dem kleinen Fenster und schreibe diese Einträge – natürlich rückwirkend. Tag 1 und 2 sowie der Flug und die Ankunft fehlen noch. Mal schauen, wie knapp die ausfallen…